Das Leben ist eine Balance
aus Festhalten und Loslassen.
(Zen-Weisheit)
Es war einmal eine Prinzessin, der war das Leben doch recht fad. All die schönen Kleider und das gute Essen, waren ihr einerlei. Und die Gespielinnen, die zu ihrer Unterhaltung bestellt wurden, waren ihr langweilig. Selbst das Musizieren und Tanzen vermochte sie nicht zu unterhalten. Das Einzige, was ihr ein wenig Freude machte, waren ihre Spaziergänge im Schlossgarten.
Als eines Tages die Prinzessin wieder einmal durch den Schlossgarten spazierte, sah sie den Gärtnerjungen vor seinem Gerätschuppen sitzen und in ein Kistchen blicken. Sie lief herzu und fragte: „Was hast du da in deiner Kiste.“
„Ich habe etwas im Geräteschuppen gefunden“, antwortete der Bursche und ließ die Prinzessin in das Kistchen schauen. Dort saß auf einem Bett aus Stroh ein winziges Kätzchen. Und die Prinzessin fand so viel Gefallen an dem kleinen Tier, dass sie den Gärtnerjungen bat, es ihr zu überlassen.
Der Junge gab ihr bereitwillig das Kätzchen und die Prinzessin lief damit in ihre Gemächer. Dort fütterte und wärmte sie das kleine Wesen, bis es ganz zutraulich war.
Die Prinzessin liebte ihr Kätzchen so sehr, dass sie in ständiger Angst lebte, ihm könne etwas zustoßen. Sie ließ ihm nur die allerfeinsten Speisen vorsetzen und bettete es auf Samt und Seide.
Als das Kätzchen heranwuchs, strebte es immerzu danach, das Gemach zu verlassen und hinaus in den Schlossgarten zu laufen.
Da ließ die Prinzessin rund um den Garten eine Schnur mit lauter goldenen Glöckchen spannen. Und immer, wenn die Katze die Schnur berührte und die Glöckchen erklangen, dann rief die Prinzessin: „Kätzelein, komm herein!“ Und schon kam ihre Katze angelaufen und bekam ein Töpfchen mit Sahne.
Aber eines Tages geschah es: Die Prinzessin hörte die Glöckchen klingeln, rief „Kätzelein, komm herein!“, jedoch die Katze kam nicht. Wieder und wieder rief die Prinzessin, aber vergebens.
Da lief sie weinend in den Garten, lief an allen Glockenschnüren entlang, erblickte aber nirgends ihre Katze. So fand sie der Gärtnerjunge und es tat ihm im Herzen weh, die Prinzessin so leiden zu sehen. „Ach, liebe Herrin“, sagte er, „Eure Katze wird gewiss zurückkehren.“
Aber die Prinzessin war außer sich vor Sorge. Sie ließ die gesamte Dienerschaft antreten und jeden Winkel des Schlosses mitsamt dem Garten absuchen. Aber niemand fand die Katze.
Da ließ sie den Wald rund um das Schloss absuchen, aber auch dort fand niemand ihre Katze.
Und als letzten Ausweg ließ sie verkünden, wer auch immer ihr ihre Katze zurückbringen würde, der sollte ihr Prinz und Ehegatte werden.
Ab diesem Tag war keine Ruhe mehr im Schloss. Es kamen junge Burschen aus aller Herren Länder, die Katzen brachten, von denen aber keine einzige die Gesuchte war. Es kamen Jäger, die unverrichteter Dinge alles Land rund um das Schloss absuchten. Es kamen Wahrsager, die allerlei Orte nannten, an denen die Katze zu finden sei, aber an keinem davon wurde irgendetwas gefunden.
Und als ein Monat vergangen war, sprach der König ein Machtwort und verbot jeden Besuch, der nicht wirklich und wahrhaftig die richtige Katze dabeihabe.
Und da kam niemand mehr und die Prinzessin saß todunglücklich am Fenster und schaute in den Schlossgarten. Manchmal regte sich ein Rosenstrauch im Wind oder eine Taube flog zwischen den Büschen. Und jedes Mal dachte die Prinzessin, ihre geliebte Katze darin zu erkennen und jedes Mal brach es ihr wieder das Herz, wenn sie irrte.
Der Gärtnersohn sah, wie bekümmert die Prinzessin war. Und als sie das nächste Mal gesenkten Kopfes durch den Garten spazierte, fasste er sich ein Herz und trat auf sie zu.
„Liebe Prinzessin, gewiss wird Eure Katze zurückkehren. Wartet nur noch ein Weilchen.“
„Ach“, seufzte die Prinzessin, „wenn du nur Recht hättest, aber allein – ich glaube es nicht. Gewiss ist ihr etwas Furchtbares geschehen.“
Es war nur wenig später, als der Gärtnerbursche in seinem Schuppen ein seltsames Geräusch hörte. Er folgte dem leisen Klang und fand schließlich sein altes Kistchen mit Stroh. Und darinnen lag die Katze der Prinzessin und noch sieben kleine Kätzchen dazu.
Er hob die Katze aus dem Kistchen und trug sie zum Schloss. Der feine Diener am Tor aber wollte den schmutzigen Jungen nicht einlassen. Als der aber sah, dass er die Katze der Prinzessin unter dem Arm trug, sagte er: „Gib mir die Katze, ich bringe sie der Prinzessin und sage, dass du sie gebracht hast.“
Der Gärtnerjunge zögerte, aber da hatte der Diener schon die Katze gepackt und dem Burschen die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Eilig lief der Diener zum König, zeigte ihm die Katze und sagte: „Majestät, ich habe die Katze Eurer Tochter gefunden und möchte nun wie versprochen ihre Hand als Belohnung.“
Der König stimmte zu und ließ den Diener zur Prinzessin vor. Die freute sich unbändig darüber, ihre Katze wiederzuhaben.
Als aber der Diener ihre Hand verlangte, erschrak sie. Gerade diesen Diener konnte sie überhaupt nicht leiden. Und so war sie von einem Unglück ins andere gestürzt. Ihre Katze aber, sperrte sie in ihr Gemach um sie nie wieder zu verlieren.
Am gleichen Abend saß der Gärtnerjunge bei den sieben Kätzchen und sorgte sich, weil die Kleinen ihre Mutter brauchten. Wieder lief er zum Schloss, aber er wurde nicht vorgelassen.
„Verschwinde“, herrschte der neue Türsteher ihn an. „Weißt du denn nicht, dass die Prinzessin heiraten wird. Da haben wir keine Zeit für solches Pack wie dich.“
In seiner Not wartete der Gärtnerjunge, bis die Nacht gekommen und es still im Schloss geworden war. Dann ging er zu dem Band mit den Glöckchen und klingelte leise daran. Und nur die Prinzessin erwachte von dem Glockenklang und dachte sich, dass es damit etwas Besonderes auf sich haben musste.
Leise schlich sie sich hinaus und fand im Garten den Burschen mit einem Kistchen stehen. Und als er ihr die sieben Kätzchen zeigte, da wusste sie, dass der Diener gelogen hatte.
Mit Freuden reichte sie dem Gärtnerburschen ihre Hand.
Und ab da war der Prinzessin nie wieder langweilig.